Über das Buch

Der zweitjüngste Sohn einer kinderreichen katholischen Lehrerfamilie in Derry bekam schon früh die Diskriminierung der Katholiken zu spüren, die in den 60er Jahren zur Bildung einer starken Bürgerrechtsbewegung führte. Auch in den deutschen Nachrichten gab es damals immer wieder Berichte mit Bildern von Bürgerrechtsmarschierern, Polizeiknüppeln und Panzern. Doch nur wenigen deutschen Zuschauern gelang es, sich ein Bild der Zusammenhänge zu verschaffen. Viele glaubten, es handele sich um einen Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken und wunderten sich, wie im aufgeklärten Westen so etwas möglich sein konnte.

Hier liegt nun der authentische Bericht eines ursprünglich unbeteiligten, später aber radikalisierten Zeitzeugen und Mittäters vor, der die Hintergründe aus eigenem Erleben schildert. In den langen Jahren seiner späteren Haft rechnete O'Doherty schließlich schonungslos mit sich selbst ab und wandte sich der aktiven Reue zu. Als das Buch 1989 zuerst erschien, war es sofort ein Bestseller. Dem deutschen Buchmarkt blieb es allerdings lange verborgen. Nun kann man O'Dohertys Autobiographie endlich auch bei uns erhalten und aus erster Hand erfahren, wie ein entsetzter Jugendlicher das Blutvergießen des Bloody Sunday 1972 miterlebte und welche Folgen es für ihn hatte.


Bilder von Derry

Bilder von Derry: Stadtteil Bogside / Zwei Wandgemälde / Mahnmal in der Bogside (Fotos: Mark A. Wilson, Kryptonit, Wikimedia Commons, Alan Mc)

Montag, 11. April 2016

Shane aktuell in den Medien: Fernsehen, vielleicht auch bald Theater


Am Sonntag, 3. April 2016, lief im irischen Fernsehen (Sender RTE) eine Dokumentation über Shane O’Dohertys Geschichte. Mit 26 Minuten reichte sie zwar nicht an die Qualität der früheren Doku von Peter Taylor (1989, siehe früheren Blogbeitrag) heran.  Aber es gab dafür allerhand neue Aspekte der Vorstellung von Shanes Buße. Unter diesem Titel stand auch die Sendung: „Atonement“  (Abbitte, Buße, Sühne). Wie kommt ein...
ideologisch verhärteter Bombenterrorist zur Vorstellung von Buße als Notwendigkeit? Vieles hiervon deckt sich mit seiner Autobiographie „The Volunteer“.  Alles Nachfolgende jedoch bezieht sich auf die Jahrzehnte danach. Wie sieht sein Leben als Büßender aus? Was hat er damit erreicht, was kann man überhaupt damit erreichen?
Natürlich blieb Shane O‘Doherty, bedingt durch sein Aufwachsen in einer katholischen Familie, zeitlebens empfänglich für die Stimme der katholischen Kirche, vor allem aber für die Bibel, speziell für die vier Evangelien. Ohne diese Voraussetzung hätte er vermutlich nicht den Weg zu der Erkenntnis gefunden, dass aktive Buße unerlässlich ist, wenn man seine Taten wirklich bereut. Dazu gehörte es, dass er - nach Erlangen der Erlaubnis und Zustimmung seiner früheren Opfer – diese persönlich und einzeln um Vergebung bat. Aber das ist nur die Voraussetzung, die es zu erfüllen galt. Darauf musste ein Leben in aktiver Reue folgen.
Seine Frau Suzie hat natürlich nicht einen Terroristen geheiratet, sondern „einen Mann mit Vergangenheit“. Und natürlich war sie zuerst entsetzt, als er ihr gestand, was für eine Vergangenheit das war. Aber sie hat ihn von Anfang an als Büßenden kennengelernt. Dass diese Buße echt ist, kann kann sie am besten beurteilen, denn sie sieht es tagtäglich: Shane hat nicht nur bereut (als Wendepunkt in seiner Vergangenheit), sondern er ist nach wie vor dabei, zu bereuen. Es ist ein nie endender Vorgang, der konsequent weitergeführt werden muss. Das restliche Leben in seiner Gesamtheit muss der Wiedergutmachung dienen, muss den Gestrandeten der Gesellschaft gewidmet sein, und es wird nie ein Punkt erreicht werden, an dem Shane sagen könnte: „Jetzt ist es genug.“ Er wird niemals damit abgeschlossen haben. Zudem ist der Dienst bei der Obdachlosenhilfe keine Sache, mit der man es sich leicht macht. So mancher aufgestaute Frust lädt sich bei den Helfern ab. Zusätzlich zur Tagesarbeit, die den Lebensunterhalt sichert, noch Nachtwachen im Obdachlosenasyl zu absolvieren, verlangt der Konstitution einiges ab.
Shane verfolgt aber auch kreative Wege, seine eigene Vergangenheit in einer Weise zu verarbeiten, die auch für die Öffentlichkeit von Interesse sein kann. Er schrieb nebenher ein Theaterstück über einen Jugendlichen, Kevin Barry, dessen Radikalisierung mit 16 Jahren begann und Parallelen zu Shanes Geschichte aufweist.
Shane O'Doherty mit 15
Kevin Barry mit 15
Kevin Barry wurde 1920 im Alter von 18 Jahren dafür gehängt, dass er sich an einem bewaffneten Überfall auf britische Soldaten beteiligt hatte; drei von diesen wurden dabei erschossen. Kevin Barry war ein Schüler der Dubliner Belvedere College. Dort fand kürzlich eine erste Lesung von Shanes Theaterstück “Belvedere Boy“ mit Schauspielern statt. Was nun weiter aus dem Script wird, muss man abwarten. Das Thema Teenager und Terrorismus (siehe früheren Blogbeitrag) bleibt auf jeden Fall weiterhin aktuell.


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