Über das Buch

Der zweitjüngste Sohn einer kinderreichen katholischen Lehrerfamilie in Derry bekam schon früh die Diskriminierung der Katholiken zu spüren, die in den 60er Jahren zur Bildung einer starken Bürgerrechtsbewegung führte. Auch in den deutschen Nachrichten gab es damals immer wieder Berichte mit Bildern von Bürgerrechtsmarschierern, Polizeiknüppeln und Panzern. Doch nur wenigen deutschen Zuschauern gelang es, sich ein Bild der Zusammenhänge zu verschaffen. Viele glaubten, es handele sich um einen Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken und wunderten sich, wie im aufgeklärten Westen so etwas möglich sein konnte.

Hier liegt nun der authentische Bericht eines ursprünglich unbeteiligten, später aber radikalisierten Zeitzeugen und Mittäters vor, der die Hintergründe aus eigenem Erleben schildert. In den langen Jahren seiner späteren Haft rechnete O'Doherty schließlich schonungslos mit sich selbst ab und wandte sich der aktiven Reue zu. Als das Buch 1989 zuerst erschien, war es sofort ein Bestseller. Dem deutschen Buchmarkt blieb es allerdings lange verborgen. Nun kann man O'Dohertys Autobiographie endlich auch bei uns erhalten und aus erster Hand erfahren, wie ein entsetzter Jugendlicher das Blutvergießen des Bloody Sunday 1972 miterlebte und welche Folgen es für ihn hatte.


Bilder von Derry

Bilder von Derry: Stadtteil Bogside / Zwei Wandgemälde / Mahnmal in der Bogside (Fotos: Mark A. Wilson, Kryptonit, Wikimedia Commons, Alan Mc)

Sonntag, 13. Juli 2014

12. Juli: Oraniermärsche


12. Juli - Tag der Oranierparaden in Nordirland. Jedes Jahr wieder gibt es mehr oder weniger heftige Auseinandersetzungen, und natürlich auch Bemühungen, zu deeskalieren. So wird zum Beispiel die Routenführung immer wieder leicht oder auch stark geändert, natürlich nicht ohne heftigen Protest gegen diese ...
Einschränkungen; mancherorts versucht man es mit Verboten für die gesamte Parade, was ebenfalls zu Proteststürmen führt; ein beträchtliches Polizeiaufgebot soll Entgleisungen verhindern. Während des Nordirlandkonflikts der 60er und 70er Jahre und noch bis 2001 war es die protestantische Polizei „Royal Ulster Constabulary“. Dieser wurden immer wieder einseitiges Verhalten und antikatholische Aktionen vorgeworfen. Im Zuge der Friedensbemühungen wurde die RUC aufgelöst und eine vollständig neu formierte Polizei eingerichtet, immerhin ein Fortschritt. Die Polizei muss beispielweise sicherstellen, dass die Oranierparaden während ihres Verlaufs nicht auf gleichzeitig stattfindende Protestmärsche der anderen Seite treffen.
Man wünscht sich das Heilen uralter Verletzungen, doch wie soll das geschehen, wenn der Sinn der Oraniermärsche darin besteht, mit allen Herrschaftsinsignien, im vollen Oranier-Ornat und von den dumpfen Klängen der Lambeg-Trommeln begleitet durch Katholikenviertel zu ziehen, um ihnen zu signalisieren, dass man selbst niemals vergessen will?
Shane O’Doherty beschreibt in “The Volunteer”, 2. Kapitel, welche historische Bedeutung die Oraniermärsche haben, die jedes Jahr um den 12. Juli herum stattfinden: Es sind Triumphmärsche der protestantischen Übermacht über die katholische Bevölkerung Nordirlands. 

Gemälde von Jan Wyck (1693): Die Schlacht am Boyne
(Der folgende Überblick ist sehr skizzenhaft, mag aber für dieses Blog genügen.)
Am 1. Juli 1690 wurde nach der Schlacht am Boyne-Fluss („Battle of the Boyne“) die Vorherrschaft des Protestantismus durch den Sieg von Wilhelm von Oranien über James (Jakob) II, endgültig besiegelt.
Der Verlierer der Schlacht, James II,  war der letzte englische und schottische Stuart-König. Er war um 1669 zum Katholizismus übergetreten. Sein absolutistischer Herrschaftsstil  weckte in England Befürchtungen, er wolle das seit der englischen Reformation anglikanische England wieder katholisch machen, da er grundsätzlich auf religiöser Toleranz bestand und Katholiken vor Strafverfolgung schützte. Der niederländische Statthalter Wilhelm von Oranien wurde zu Hilfe gerufen, und es kam zur „Ruhmreiche Revolution“.
Nach der Flucht des Stuart-Königs bot das Parlament dem Oranier den englischen Thron an, und bald danach erkannte auch Schottland seine Herrschaft an. Das irische Parlament hingegen sah weiterhin in James II den rechtmäßigen König. James reiste aus Frankreich nach Irland ein, belagerte erfolglos die Festungsstadt Derry, wurde schließlich trotz seiner französischen und irischen Verstärkung von Wilhelm von Oranien vernichtend geschlagen (siehe oben) und floh prompt zurück nach Frankreich. Seine Truppen ließ er im Stich. Diese zogen sich zurück und kämpften danach noch ein Jahr lang gegen Williams Herrschaft. Doch die territorialen Ansprüche des Protestantismus in Nordirland waren bereits dermaßen gründlich gefestigt, dass sie sich nicht mehr rückgängig machen ließen. Hier, in dieser mehr als 300 Jahre zurückliegenden Niederlage, muss man den Nährboden des Nordirlandkonflikts sehen. Die Oraniermärsche rühren tatsächlich, wie Shane schreibt, jedes Jahr wieder Salz in die Wunden der Besiegten, solange sie darauf bestehen, durch katholische Viertel zu ziehen.  

Ein Blick in die aktuellen Nachrichten zeigt: 2014 sind die Oraniermärsche vielerorts, so auch in Belfast, relativ friedlich verlaufen, während es im Vorjahr noch zu teilweise heftigen Unruhen gekommen war. Noch immer geben Protestanten an, die Katholiken müssten ja nicht aus dem Fenster sehen, wenn die Parade sie störe. Noch immer beschweren sich Katholiken über die bombastische Provokation. Solange beide Seiten darauf achten, zu demonstrieren, ohne Gewalt zu provozieren, kann man am Ende des Tages erleichtert aufatmen…

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