Über das Buch

Der zweitjüngste Sohn einer kinderreichen katholischen Lehrerfamilie in Derry bekam schon früh die Diskriminierung der Katholiken zu spüren, die in den 60er Jahren zur Bildung einer starken Bürgerrechtsbewegung führte. Auch in den deutschen Nachrichten gab es damals immer wieder Berichte mit Bildern von Bürgerrechtsmarschierern, Polizeiknüppeln und Panzern. Doch nur wenigen deutschen Zuschauern gelang es, sich ein Bild der Zusammenhänge zu verschaffen. Viele glaubten, es handele sich um einen Glaubenskrieg zwischen Protestanten und Katholiken und wunderten sich, wie im aufgeklärten Westen so etwas möglich sein konnte.

Hier liegt nun der authentische Bericht eines ursprünglich unbeteiligten, später aber radikalisierten Zeitzeugen und Mittäters vor, der die Hintergründe aus eigenem Erleben schildert. In den langen Jahren seiner späteren Haft rechnete O'Doherty schließlich schonungslos mit sich selbst ab und wandte sich der aktiven Reue zu. Als das Buch 1989 zuerst erschien, war es sofort ein Bestseller. Dem deutschen Buchmarkt blieb es allerdings lange verborgen. Nun kann man O'Dohertys Autobiographie endlich auch bei uns erhalten und aus erster Hand erfahren, wie ein entsetzter Jugendlicher das Blutvergießen des Bloody Sunday 1972 miterlebte und welche Folgen es für ihn hatte.


Bilder von Derry

Bilder von Derry: Stadtteil Bogside / Zwei Wandgemälde / Mahnmal in der Bogside (Fotos: Mark A. Wilson, Kryptonit, Wikimedia Commons, Alan Mc)

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Shane O'Dohertys heutige Sicht

Maurice Fitzpatrick, der Autor von  „The Boys of St Columb’s“ , sprach mit Shane O’Doherty über dessen Schulzeit in Derry. Am Ende zieht O’Doherty ein Fazit aus heutiger Sicht. Es war eins der Verdienste seiner Haftzeit, dass...
... sie es ihm möglich machte, seine Autobiographie zu schreiben. Der Welt seine Geschichte darzulegen war für ihn eine Art Selbstreinigung. Heute sagt er dazu:
„Ich musste mich der schrecklichen Tatsache stellen, dass bei aller Leidenschaft die Gewalt ganz einfach falsch war. Ich musste im Gefängnis die Stärke aufbringen, vor den Kameraden, den Medien, der ganzen Welt da draußen zu gestehen, dass ich mich in den bewaffneten Widerstand hatte hineinsaugen lassen. Wir waren einfach in die Politik hineingeprescht. Ich musste die Stärke aufbringen, dies in England im Gefängnis auszusprechen, und die harte Lehrzeit meiner schulischen Isoliertheit hat sicher mit dazu beigetragen, dass ich diese Stärke fand.“ 

Manches wurmt den heute Geläuterten immer noch: Die Tatsache, dass sein Buch „The Volunteer“ nach der Erstveröffentlichung  in die Bestsellerlisten gelangte, wurde von der irischen Zeitung seiner Heimatstadt, dem  „Derry Journal“ der Öffentlichkeit glatt verschwiegen. Dabei wollte er doch erklären, wie ein Mensch sich ändern konnte, die  IRA -Mitgliedschaft beenden und  nicht länger IRA Volunteer sein wollte – er wollte nach Verbüßung seiner Haftstrafe wieder ein normaler Bürger werden. 

Insgesamt verbrachte er drei Jahre der gesamten Haftstrafe in Einzelhaft. Zeit - und Einsamkeit – genug, um sich mit seinem ganzen Bewusstsein den vier Evangelien zu stellen, sich zudem mit Häftlingsrechten und von da ausgehend mit den Menschenrechten zu befassen und zu erkennen, welche Menschenrechtsverletzungen er selbst begangen hatte. 

Auch nach seiner Haftentlassung empfand er das Bedürfnis, sich mit ethischen und christlichen Fragen auseinanderzusetzen. So verwandte er drei Jahre darauf, sich in einem Priesterseminar  mit Fragen der Priesterschaft zu befassen.  Um überhaupt als ehemaliger Terrorist in ein Priesterseminar aufgenommen zu werden, musste er allerdings sehr große Hindernisse überwinden, was ihm schließlich auch gelang. Sein Drang nach Selbstbestimmtheit brachte ihn aber letztlich davon ab, sich der Kirche als Institution unterzuordnen.
Shane führt heute ein Leben, in dem neben der normaler Arbeit die aktive Buße mehrmals die Woche ein fester Bestandteil ist. Seiner Selbstverpflichtung zur Obdachlosenhilfe widmet er viel Zeit und Kraft – als Bemühung, durch Dienst an den Gescheiterten, Gestrandeten, Ausgestoßenen der Gesellschaft etwas zurückzugeben.


Man kann das oben erwähnte Gesprächsprotokoll nachlesen in „The Boys of St Columbs“ von Maurice Fitzpatrick. Shanes Zitate in diesem Blog-Beitrag sind dem Buch entnommen (mit freundlicher Genehmigung von Maurice Fitzpatrick, und übersetzt von Ulrike Wittenborn)

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